Bahnbrechender Erforscher der Pflanzenwelt
Joseph Traunsteiner erblickte am 18.Dezember 1798 in Kitzbühel als Sohn des Apothekers Michael Traunsteiner und der Elisabeth, geb. Pirchl das Licht der Welt. Der aus Schwaz stammende Vater wirkte nach einem zwischen den Jahren 1777 und 1782 gescheiterten ersten Versuch ab 1790/91 wieder als Apotheker in Kitzbühel. Seine Apotheke befand sich im Erdgeschoß des heutigen Hauses Hinterstadt 16. Von seinen insgesamt neuen Söhnen überlebten nur drei die Kindheit. Alle drei Söhne wollten den Beruf des Vaters ergreifen. Anton, 1792 geboren, verstarb aber bereits im Jahr 1814 in Innsbruck in Diensten des Stadtapothekers Franz Ignaz Winkler.
Auch der 1803 geborene Johann wandte sich der Pharmazie zu, starb jedoch als Magister pharmaciae bereits 1838 in Kitzbühel, vermutlich bei seinem Bruder Joseph in Diensten stehend.
Joseph zog nach einer zweijährigen Lehrzeit in Brixen in Südtirol und einer zweijährigen Gehilfenzeit bei seinem Vater im Herbst 1819 nach Wien zu einem einjährigen Studium an der Universität, wo er unter anderem Vorlesungen aus Botanik bei Joseph Franz Freiherrn von Jacquin hörte. 1820 bestand er das pharmazeutische Examen an der Medizinischen Fakultät der Wiener Universität. Nach der Rückkehr aus Wien war er die Hauptstütze seines Vaters und führte nach dessen Tod im Jahr 1828 die Apotheke erfolgreich weiter. Durch die Qualität der bei ihm erhältlichen Medikamente und durch seine den ärmeren Bevölkerungsschichten entgegenkommenden Preise, mit denen er seinen starken sozialen Sinn unter Beweis stellte, erwarb er sich als Apotheker einen guten Ruf.
Für die damalige Heilkunde waren, weil es eine pharmazeutische Industrie noch nicht gab, die Pflanzen mit ihren Heilwirkungen von größter unmittelbarer Bedeutung. Ein Apotheker mußte sich bei den Pflanzen auskennen. Joseph Traunsteiner hatte schon früh starkes Interesse für Botanik gezeigt und dieses Interesse wurde auch von seinem Brixener Lehrherrn gefördert, sodaß er schon als Lehrling über gute botanische Kenntnisse verfügte. Nach seinem Studium wurde er als einer der Ersten überhaupt auf diesem Gebiet - ein immer besserer Kenner der Pflanzenwelt im Leukental, im Brixental und im angrenzenden Pinzgau. Er kaufte sich Fachbücher, übte sich im Bestimmen und Präparieren von Pflanzen und bemühte sich, eine möglichst vollständige Sammlung der Gefäßpflanzen, also der Blütenpflanzen und Farne, seiner engeren Heimat anzulegen. Im Jahr 1828 kam in der Person des Dr. Anton Sauter ein junger Mediziner und kenntnisreicher Botaniker als Landgerichts- und Stadtarzt nach Kitzbühel. Die Freundschaft mit Sauter gab Traunsteiners Forschungseifer großen Auftrieb. Sauter machte das Kitzbüheler Gebiet durch Veröffentlichungen in der in Regensburg erscheinenden botanischen Zeitschrift „Flora" in Fachkreisen bekannt und verschwieg Traunsteiners Namen nicht. So suchten nun immer mehr Botaniker des In- und Auslandes Kontakte zu Traunsteiner. Als Dr. Sauter Kitzbühel 1830 aus beruflichen Gründen verließ - er blieb mit Traunsteiner weiterhin in Verbindung -, regte er seinen Freund Dr. Franz Unger, der Arzt in Stockerau war, an, die Stelle als Landgerichts und Stadtarzt in Kitzbühel zu übernehmen. Unger, von 1830 bis 1836 in Kitzbühel, war ein genialer Wissenschaftler mit weitgespannten botanischen und zoologischen Interessen. In enger Zusammenarbeit mit Traunsteiner und Sauter - man spricht vom Dreigestirn Sauter, Unger, Traunsteiner - schuf er ein in mehrfacher Hinsicht bahnbrechendes Werk, das 1836 in Wien unter dem Titel „Über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Gewächse, nachgewiesen in der Vegetation des nordöstlichen Tirol" erschien. Ohne Traunsteiners und Sauters Unterstützung wäre dieses Werk nicht möglich gewesen. Unger zählte 1847 zu den Gründungsmitgliedern der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien.
Inzwischen vervollständigte Traunsteiner seine Kenntnisse. Er beschäftigte sich vor allem mit den Gefäßpflanzen und hatte da einige Lieblingsgattungen, so die Weiden, Seggen und Hungerblümchen. Die Systematik der Pflanzen interessierte ihn besonders, außerdem entwickelte er eine wahre Meisterschaft in deren Präparieren. Daher war er ein gesuchter Tauschpartner. Er lieferte wichtige Beiträge zu vielen damals im Aufbau begriffenen Herbarien und Tauschherbarien in Tirol und in Deutschland, nicht zuletzt für das Herbar des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum.
Traunsteiners eigenes Herbar umfaßte über 6000 Arten Blütenpflanzen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Leider ist diese bedeutende Sammlung, die schließlich nach Vorarlberg gelangte, dort nach 1956 verschollen. Angeregt von Sauter und durch die Zeitschrift „Flora" wagte Traunsteiner auch eigene Veröffentlichungen. Neben Aufsätzen in der „Flora" ist vor allem seine „Monographie der Weiden von Tirol und Vorarlberg" zu erwähnen, die 1842 in der Zeitschrift des Ferdinandeums erschienen ist.
Er kam mit vielen an der Pflanzenkunde interessierten Persönlichkeiten in Kontakt. Besonders ehrenvoll für ihn war es, daß ein gekröntes Haupt, König Friedrich August II. von Sachsen, zweimal zu ihm nach Kitzbühel kam. Am 18. Juli 1841 führte Traunsteiner den Sachsenkönig auf den durch seinen Reichtum an seltenen Alpenpflanzen berühmten Geißstein.
Wahrscheinlich im Jahr 1846 ließ sich der König von Traunsteiner auf das Kitzbüheler Horn führen, um dort Draba Traunsteineri Hoppe, Traunsteiners Hungerblümchen, sehen zu könnne.
Traunsteiners botanische Leistungen spiegeln sich unter anderm darin, daß einige Pflanzen durch ihren wissenschaftlichen Namen an ihn erinnern, wie ja auch die Pflanze, die das Motiv der heute herausgegebenen Postkarte ist. Als ihn die königliche baierische botanische Gesellschaft zu Regensburg im Jahr 1831 zu ihrem korrespondierenden Mitglied ernannte, durfte er im Zeitalter des Staatskanzlers Metternich und des Wiener Polizeipräsidenten Sedlnitzky mit ihrer pathologischen Ausländerangst diese Auszeichnung erst nach vorher erwirkter allerhöchster Genehmigung im Jahr 1833 entgegennehmen. Übrigens hatte Joseph Traunsteiner auch großes Interesse an der Pflanzenzucht und eine besondere Liebe zu Gartenblumen. Neben anderen Blumen waren in seinem Garten etwa fünfzig Farbvarietäten von Georginen, also von Dahlien, zu bewundern.
Daß Joseph Traunsteiner, diese in Botanikerkreisen höchst geschätzte Persönlichkeit, auch im öffentlichen Bereich als Politiker, nämlich als stellvertretender Abgeordneter und als Abgeordneter zum Tiroler Landtag, als Bürgermeister der Stadt Kitzbühel in den Jahren 1843 bis 1846 und hernach als Magistratsrat, für Kitzbühel bedeutsame Leistungen erbrachte, soll nicht verschwiegen werden. Der Privatmann Joseph Traunsteiner heiratete erst als 46-jähriger 1845 eine sechzehn Jahre jüngere Frau, die durch einige Zeit seine Haushälterin gewesen war. Aus der Ehe mit Frau Barbara, geb. Pletzer aus Kirchdorf gingen drei Söhne und eine Tochter hervor. Vor allem der Sohn Johann, der dann in Kitzbühel als Rechtsanwalt wirkte, und dessen Tochter Maria traten auf botanischem Gebiet in die Fußstapfen Joseph Traunsteiners. Leider waren diesem nur mehr wenige Jahre an der Seite seiner heranwachsenden Kinder gegönnt. Er starb am 19. März 1850.
Wie der große Tiroler Botaniker Franz Freiherr von Hausmann berichtet, ehrte der bedeutende sächsische Botaniker Heinrich Gottlieb Ludwig Reichenbach Joseph Traunsteiner durch das Aufstellen einer neuen Gattung „Traunsteinera" für die bisherige Art „Orchis globosa Linné". Hofrat Dr.Reichenbach hatte Pflanzen dieser Gattung von Traunsteiner erhalten, der sie unter anderem am Geißstein gefunden hatte. Entgegen den Befürchtungen Hausmanns konnte sich die neue Knabenkraut-Gattung bis heute behaupten. In Kitzbühel erinnert der Name einer Straße indirekt an Joseph Traunsteiner.
Dr. Manfred Rupert